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Leerverkäufe an der Börse

Bei Leerverkäufen – auch Blankoverkäufe oder Short Sales genannt – handelt es sich nicht um Verkäufe von Wertpapieren. Verkauft wird dabei die Verpflichtung, zu einem späteren Zeitpunkt oder an einem vereinbarten Tag das Vereinbarte zu liefern. Leerverkäufe sind bei professionellen Börsenhändlern ausgesprochen beliebt. Hauptakteure dieses speziellen Finanzgeschäfts sind Großbanken, Hedgefonds und vermehrt auch Trader. Abgewickelt werden viele dieser hochriskanten Transaktionen in Großbritannien und den USA. Bei Leerverkäufen unterscheidet man zwischen ungedeckten und gedeckten Leerverkäufen.

Wie Leerverkäufe durchgeführt werden

BörsenhandelBei einem ungedeckten Leerverkauf veräußert der Börsenhändler Wertpapiere an einen Käufer, über die er zum Zeitpunkt des Verkaufs noch überhaupt nicht verfügt. Er hat dann einige Werktage Zeit, dem Käufer die vereinbarten Aktien zu beschaffen. Bei einem gedeckten Leerverkauf hat er zum Zeitpunkt des Verkaufs eine Vereinbarung mit dem Wertpapier-Verleiher getroffen, der ihm das vom Käufer Gewünschte gegen eine geringe Leihgebühr zur Verfügung stellt. Sie liegt meist zwischen 2 und 6 Prozent. Der Käufer kann sofort befriedigt werden. Der Verkäufer muss seinerseits nun dem Verleiher seine Wertpapiere beschaffen. Ziel dieser Finanzgeschäfte ist, die Aktien oder anderen Derivate zu einem niedrigeren Kurswert zu kaufen als man sie verkauft hat und so Gewinne zu erwirtschaften. Außerdem dienen Leerverkäufe der Absicherung des eigenen Wertpapier-Depots: Mit den erzielten Kursgewinnen kann man Verluste aus seinen eigenen Aktien-Geschäften ausgleichen. Für den Käufer sind Leerkäufe deshalb so lukrativ, weil der Verkäufer das alleinige Kursrisiko trägt. Macht er Verluste, kann er sie nicht mehr an den Käufer weitergeben. Derivate, mit denen Leerverkäufe getätigt werden, sind Aktien, (Staats-) Anleihen, Rohstoffe, Futures und Devisen.

Bei Leerverkäufen muss meist innerhalb von zwei Geschäftstagen geliefert werden. In der Eurozone kommt der Verkäufer erst nach drei Tagen in Verzug. Kommt er seiner Verpflichtung nicht nach, wird die Zwangsregulierung vorgenommen. In einem solchen Fall hat der Käufer Anspruch auf Schadensersatz. Mögliche Ursache für die Nicht-Erfüllung der Leistung: Die gewünschten Aktien sind am Markt nicht mehr verfügbar. Bei einem ungedeckten Leer-Verkauf ist das Risiko, in Verzug zu geraten, wesentlich größer als bei einem gedeckten. Börsengeschäfte dieses Typs sind hochspekulativ. Der Gewinn ist begrenzt, das Risiko hingegen sehr hoch. Der Verkäufer kann einen nahezu unbegrenzten Verlust erleiden, da man nicht vorhersehen kann, wie hoch der Kurs steigen wird. Im Gegensatz zum Aktienhandel kann der Verlust sogar den Aktien-Wert übersteigen.

Wann Leerverkäufe gefährlich sind

Leerverkäufe können unter bestimmten Bedingungen Unternehmen, aber auch dem Marktgeschehen als Ganzes gefährlich werden. Für Unternehmen sind sie dann riskant, wenn ihre Aktien ohnehin schon schwächeln. Den Markt können sie dann beeinflussen, wenn geschickte Börsenhändler durch Gerüchte den Aktien-Kurs nach unten treiben. Im Allgemeinen gelten gedeckte Leerverkäufe als sinnvoll. Bei ungedeckten Leerverkäufen sind Politik und Spekulanten geteilter Ansicht.

George Soros und der „Schwarze Mittwoch“

Im September 1992 wurde der Finanzmarkt schwer erschüttert. Der US-Investor George Soros und verschiedene andere Börsenhändler brachten das europäische Währungssystem mit ihren Spekulationen gegen das britische Pfund fast zum Zusammenbruch. Mit seiner Vorhersage, dass Großbritannien entweder das britische Pfund abwerte oder das europäische Wirtschaftssystem generell verlasse, sorgte Soros dafür, dass die britische Notenbank ihre Zinssätze mehrmals drastisch erhöhte. Als Großbritannien dann seinen Austritt aus dem EWS bekanntgab und die Zinsen wieder senkte, kam es zu einem starken Kurseinbruch. Der bekannte Spekulant machte dabei Milliardengewinne.

Kursexplosion der VW-Aktie im Oktober 2008

Kursexplosion der VW-Aktie
Logarithmische Darstellung VW-Aktien 2008

Riesige Verluste machten Leerverkäufer Ende Oktober 2008 mit der Volkswagen-Aktie: Da sie nicht vorhersehen konnten, dass Porsche einen Großteil der VW-Aktien aufkaufen würde, gab es zu wenige Aktien am Markt und die Leerverkäufer mussten überhöhte Kaufpreise zahlen. Traurige Bekanntheit erlangte der Milliardär und Gründer von Ratiopharm Adolf Merckle, als er Ende September 2008 bei der VW-Aktie auf fallende Kurse setzte und Anfang November, die Position eindecken musste mit einem Verlust von über 210 Millionen Euro.

Regulierung der Leerverkäufe
Während der Finanzkrise 2007 wurden Leerverkäufe in verschiedenen europäischen und außereuropäischen Ländern verboten. Nachdem sich die deutsche Wirtschaft wieder erholt hatte, wurden ungedeckte Leerverkäufe 2010 erneut zugelassen. Allerdings führte man das so genannte „Transparenz-System“ ein: Überschreitet der Anteil der Leerverkäufe am gesamten Handelsvolumen 0,2 Prozent, muss das der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemeldet werden. Detaillierte Angaben fordert die BaFin bei einem Anteil von mehr als 0,3 Prozent. Die Beschränkung gilt allerdings nur für die Aktien bestimmter Unternehmen. Die BaFin hat die Möglichkeit, Leerverkäufe von inländischen Aktien generell zu untersagen, wenn durch sie eine kritische Marktsituation entsteht. Auch die EU hat das Recht, in bestimmten Fällen Leerverkäufe zu verbieten (Urteil des EGH vom Januar 2014). Allerdings dürfen die europäischen Börsenhändler nach Art. 17 der EU-Leerverkaufs-Verordnung Ausnahmen von der Einschränkung beantragen.

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