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Canal Mania

Transportwege waren für Menschen schon immer wichtig, denn sie mussten produzierte Waren von einem Ort zum anderen Ort transportieren. Da Anfang des 18. Jahrhunderts noch keine Dampfmaschinen erfunden waren, wurden viele Waren per Schiff transportiert. Obwohl bereits die alten Römer Kanäle angelegt hatten, wurde dies in Europa erst im 12. Jahrhundert vorangetrieben. Die ersten Kanäle wurden in Oberitalien und den Niederlanden, in Frankreich entstand dann in den Jahren 1666-1681 der Canal du Midi, der auf einer Länge von 240 Kilometern das Mittelmeer mit dem Atlantik verband. In England hingegen war der Ausbau der Wasserstraßen nur wenig fortgeschritten, vor allem aufgrund des schwierigen geografischen Terrains. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts gab es im englischen Königreich lediglich 1.160 Meilen schiffbare Wasserstraßen. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts änderte sich dies grundlegend.

Der Bau der ersten Kanäle
Anfang/Mitte des 18. Jahrhunderts begann in England die so wichtige industrielle Revolution. Hierdurch benötigte man größere Mengen Rohstoffe, auch mussten die in den Fabriken hergestellten Waren und Güter entsprechend transportiert werden. Neben dem Ausbau des Straßennetzes in England bot es sich auch an, das Kanalsystem sowie die Flüsse weiter auszubauen, um diese für den Transport zu nutzen. Vor allem die größere Leistungskraft der Schiffe, die im Vergleich zum Pferd das 30fache transportieren konnten, sowie die günstigeren Transportkosten sorgten für einen zunehmenden Ausbau der Flusswege. Viele Unternehmer, darunter Francis Egerton, der dritte Duke of Bridgewater, erkannten die Potenziale des Kanalbaus, da sie durch Reisen in Europa bereits viele bekannte Flussstraßen besuchen konnten. Egerton entschloss sich zum Bau eines Kanals, der von seinen Kohlemienen zum Fluss Irwell führte. So war es ihm möglich, deutlich größere Mengen Kohle direkt bis nach Manchester zu befördern. Diese Chancen sorgten nun für das große Kanalbaufieber in England, welches auch als „Canal Mania“ bezeichnet wurde.

Das Kanalbaufieber in England
Nach nur zwei Jahren Bauzeit konnte Egerton dann seinen Bridgewater Kanal eröffnen, der ihn auch von anderen Kanalbaufirmen, die für die Fahrt auf ihren Kanälen Gebühren forderten, unabhängig machte. Er wurde schnell ein reicher und berühmter Mann, der neben seiner eigenen Kohle auch Waren und Rohstoffe anderer Unternehmen transportierte, was ihm wiederum Gelder einbrachte. Andere Unternehmen taten es ihm gleich und bauten ebenfalls eigene Kanäle. Waren es anfangs noch wenige Firmen, die diesen Schritt wagten, schließlich mussten die hohen Baukosten erst amortisiert werden, folgten nach und nach immer mehr Unternehmen. Sie konnten nahezu ohne Restriktionen Kanäle bauen, denn auch die in Deutschland vorhandene Vielstaaterei gab es in England nicht. Jeder, der das notwendige Geld für den Bau eines Kanals aufbringen konnte, konnte diesen auch bauen. Und immer mehr Menschen wollten sich an diesem Boom beteiligen und investierten in entsprechende Aktiengesellschaften, die mit den Mitteln der Anleger teure Kanäle errichten. Vor allem Neuemissionen waren sehr gefragt und nur schwer zu bekommen. Auch diese neuen Firmen konnten mit ihren Kanälen viel Geld verdienen und sorgten so schließlich für das Kanalbaufieber in England.

Die Hochphase des Kanalbaus
Anfang der 1790er Jahre entwickelte sich der Kanalbau in England zu einer wahren Manie. Immer mehr Kanäle wurden errichtet, die dann an das bereits bestehende Netz angeschlossen werden mussten. Die Investitionskosten wurden immer höher, weshalb Krediterleichterungen auf breiter Basis die Folge waren. Obwohl die Bank of England eine Monopolstellung unterhielt, bildeten sich nun in der Provinz Country Banken, deren Geld von der Bank of England jedoch nicht angenommen wurde. Dennoch konnten sich diese Banken aufgrund des enormen Aufschwungs etablieren und dehnten die Ausgabe neuer Noten immer weiter aus. Obwohl viele Menschen in einem wahren Fieber waren, zogen jetzt bereits erste dunkle Wolken auf. So fielen im Jahr 1791 die Getreidepreise um gut 26 Prozent, da eine reiche Ernte das Angebot hat steigen lassen. Dies wiederum sorgte für Einkommenseinbußen bei weiten Teilen der Bevölkerung und schließlich zu einem Nachlassen der Konjunktur. Dies jedoch konnte das Kanalbaufieber kaum bremsen, denn die französische Revolution begünstigte einen Geldstrom nach England, da viele französische Adelige ihr Geld in Sicherheit bringen wollten. Auch sie investierten in den englischen Kanalbau, allein im Jahr 1793 wurden seitens der Regierung 25 neue Projekte gebilligt.

Der Traum zerplatzt
Der Höhepunkt der „Canal Mania“ wurde Anfang 1793 erreicht. Dann jedoch sorgte die politische Situation in Frankreich für ein jähes Ende des Kanalbaufiebers. Am 21. Januar 1793 erfolgte die Hinrichtung des französischen Königs Ludwig XVI, woraufhin Frankreich sowohl England wie auch Holland den Krieg erklärte, da diese beiden Länder den ehemaligen König unterstützt hatten. Die hohen Ausgaben für die Rüstung führten in England jedoch sehr schnell zu einer hohen Inflation, die auch die Kosten für den Bau neuer Kanäle in die Höhe trieb. Aufgrund der aktuell unsicheren Lage wollten viele Kanalbaufirmen keine neuen Projekte mehr unterstützen und stellten vielfach auch den Bau aktueller Kanäle ein. Eine Fertigstellung konnte zudem nicht erreicht werden, da nach dem Ende des Krieges auch die ausländischen Mittel wieder abgezogen wurden. Mit dem Ende von Neubauten wurden jetzt jedoch Mängel am aktuellen System sichtbar. So wurden viele Kanäle lediglich von einer Fabrik zum allgemeinen Kanalnetz errichtet, nicht selten waren die Kanäle selbst auch nur sehr schmal gebaut. Unternehmer, die vom Norden Englands Waren in den Süden transportieren wollten, mussten oft ihre Ladung umladen, was zu hohen Kosten führte. Gewinne im Bereich des Kanalsystems waren daher selten, so dass viele Aktionäre nie einen Penny an Dividende erhielten. Mit der Vorstellung der ersten Dampfmaschine im Jahr 1804 wurde das Ende des Kanalsystems eingeläutet.

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